Yoga - Meditation / Eine Geschichte

Eines Tages beschlossen in Indien zwei Räuber, ihren Beruf zu wechseln. Sie heckten den Plan aus, dass der eine von ihnen am Strassenrand sitzen und der andere ihn als grossen Guru preisen soll.

Ein gutes Geschäftsmodell in einem Land, in welchem mit Almosen gutes Karma geschaffen werden kann.

 

So setzte sich also der "Guru" an einer belebten Strasse hin und gab vor, in tiefe Meditation versunken zu sein. Der andere wies lauthals auf seinen Guru und pries dessen Fähigkeiten.

 

Es wurde Mittag. Der "Guru" sass noch immer in Meditationshaltung am Strassenrand, und sein "Schüler" wurde nicht müde, seinen angeblichen Lehrer zu loben.

 

Es wurde Abend, und die Situation war unverändert.

Da wandte sich der Schüler schliesslich an seinen Guru und sagte: "Wir haben viel Geld eingenommen. Komm, verschwinden wir, bevor uns noch jemand auf die Schliche kommt!"

Der Guru erwiderte: "Ich bin den ganzen Tag ruhig gesessen und habe dabei einen friedvollen Zustand erfahren. Ich will nichts anderes mehr. Nimm das Geld und geh. Ich bin daran nicht interessiert."

(Quelle: Dr. Jayadeva Yogendra: Klassischer Yoga im Alltag. scriptus Verlag - adaptiert)

 

Die Geschichte mag lustig sein. Und noch viel mehr.

Der Gauner gibt nur vor, ein Guru zu sein. Er macht das mit seiner ruhigen Körperhaltung ... und macht dabei innere Erfahrungen.

Die Geschichte berichtet davon, dass wir alle solche Erfahrungen machen können, wenn wir uns ernsthaft auf eine Praxis einlassen. Die Ernsthaftigkeit zeigt sich darin, dass wir den Körper zur Ruhe kommen lassen, dass der Atem und damit auch der Geist ruhig(er) werden. Das erfordert Ausrichtung, Konzentration und Beherrschung der Sinne.

Die genannte Erfahrung ist aber nicht erst nach unzähligen Jahren des Übens möglich, sondern jetzt. Stille, Ruhe, Frieden oder einfach Zufriedenheit sind jetzt erfahrbar.

Natürlich wenden wir uns nach der formellen Praxis wieder unseren Aufgaben zu, besorgen den Haushalt, gehen zur Arbeit, ... Aber wer sagt denn, dass diese Aktivitäten realer sind, als die erfahrene Ruhe? Warum sich nicht auf diese Erfahrung ausrichten?